Harsewinkel. Die Temperaturen steigen in tropische Höhen, eine Abkühlung verspricht der Sprung ins kühle Nass. Doch die Erfrischung endet nicht selten mit einer Tragödie. Vor allem ungeübte Schwimmer überschätzen ihre Kräfte und ihr Können und gehen unter – wenn ihnen nicht sachkundig geholfen wird. Alleine im vergangenen Jahr ertranken deutschlandweit 504 Menschen.
Eine traurige Zahl – und die vielen ehrenamtlichen Helfer der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) kämpfen unermüdlich dafür, dass es nicht noch mehr Opfer werden. Das gilt auch für die DLRG-Ortsgruppe Harsewinkel. Die 1984 gegründete Abteilung zählt zu den sportlich erfolgreichsten und aktivsten im DLRG-Landesverband. Einige Beispiele: Die deutsche Rettungsschwimmer-Nationalmannschaft hat in ihren Reihen mehrere Teilnehmer aus den Reihen der Harsewinkeler Ortsgruppe. Und auch die Ausrichtung der Deutschen Seniorenmeisterschaften (DSM) im letzten Jahr, bei der mehr als 100 Helfer der Ortsgruppe zum Einsatz kamen, spricht für die hohe Einsatzbereitschaft der Mitglieder. Die Treue zum Verein ist vorbildlich: So wird Edgar Zumholte im nächsten Jahr in St. Peter-Ording sein 35. Wachjubiläum als aktiver Lebensretter feiern.
Etwa 450 Mitglieder, davon mehr als die Hälfe unter 18 Jahren, opfern hier regelmäßig ihre Freizeit, damit der Tod durch Ertrinken seinen Schrecken verliert. „Durch unsere vielseitigen Ausbildungsangebote für Kinder ab etwa fünf Jahren tragen wir erheblich zur Schwimmfähigkeit von Kindern im Grundschulalter bei“, sagt Michaela Kleine, die seit 2016 als Geschäftsführerin die Geschicke der heimischen Rettungsschwimmer leitet. Schon früher war sie in der Verler DLRG-Ortsgruppe aktiv – die sportlichen Erfolge und das Engagement der Töchter Amelie (15) und Milena (18) waren für sie und ihren Ehemann und ehemaligen aktiven Volleyballer Andreas Kleine, aktuell Kassenwart des Vereins, der Anstoß, sich der DLRG-Leitungsriege vor Ort anzuschließen.
Dass Kinder und Jugendliche schwimmen können, ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Michaela Kleine: „Nach dem Seepferdchen kümmern sich viele Eltern nicht darum, die Schwimmfähigkeit ihrer Kinder zu vertiefen“. Hinzu komme, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Ganztagsschule kaum noch Zeit hätten, sich intensiv mit dem Schwimmtraining zu beschäftigen.
Der Misere steuert die DLRG Harsewinkel mit einem breiten Spektrum an Aktionen und Angeboten entgegen. Als ihre Kernaufgabe sehen die DLRG-Macher nach wie vor die Anfänger- und Kinderschwimmausbildung sowie das Jugendschwimmtraining und die Rettungsschwimmerausbildung.
Doch die Freude über das rege Vereinsleben und die sportlichen Erfolge sind ein wenig getrübt. Denn die Trainingskapazitäten im Hallenbad, wo vor allem die Kinder das Schwimmen lernen, sind begrenzt. „Es fehlen uns Wasserzeiten“, erklärt Michaela Kleine. Im Klartext: Die große Nachfrage kann nicht bedient werden. Auf der Warteliste der DLRG stehen derzeit 22 Kinder. Hinzu kommt, dass vor allem im Jugendbereich eine ständige Fluktuation zu beklagen sei. Obwohl sich in der Ortsgruppe viele Jugendliche engagieren, wird die Arbeit im Jugendvorstand immer schwieriger, da es keinen Raum für spontane Treffen nach dem Training gibt und viele Jugendliche nach dem Abi oder der Berufsausbildung ihrer Heimat den Rücken kehren.
Der Zusammenhalt innerhalb der DLRG-Truppe ist groß. Doch er könnte noch größer sein – wenn der Ortsgruppe ein schönes und geräumiges Domizil zur Verfügung stünde. Hier zeichnet sich bereits eine kleine Lösung ab: Wie berichtet, soll der alte Kiosk auf dem Gelände des Freibades, das im nächsten Jahr für etwa 4,5 Millionen Euro komplett saniert wird, zu einem Vereinsheim umgebaut werden. Die Kosten sind mit insgesamt 69.000 Euro veranschlagt. Der Verein muss sich mit etwa 20.000 Euro in das Projekt einbringen. Um der DLRG die Möglichkeit zu geben, die geforderte finanzielle Beteiligung durch Eigenleistung oder Spenden einzubringen, soll die Sanierung grundsätzlich an den Verein übertragen werden.
Die DLRG-Spitze ist froh, dass sich endlich etwas tut, denn über viele Jahre mussten die Rettungsschwimmer mit einem Provisorium leben. Bis jetzt teilt sich der Verein einen etwa 22 Quadratmeter großen Büroraum im Eingangsbereich des Hallenbades mit dem Schwimmmeister. Kleinere Gruppen nutzen diesen Raum für Schulungen und Kurse, bei größeren Gruppen muss man in das benachbarte Heimathaus ausweichen.
Doch die gefundene Lösung sei nicht optimal, heißt es. Denn in dem Konzept fehle ein Verbindungsgang zwischen Vereinsheim und Hallenbad. „Ohne geht es nicht, denn sonst müssten die Kinder im Winter barfuß über die Wiese laufen“, sagt Andreas Kleine.